Lipstick Leaders 2016-2019
Ein Porträt Serie von Führende Frauen.



Am 1. Juni 2018 feierte Daniel Eisenhuts „Lipstick Leaders“ in der «Kraftwerk» in Zürich Premiere. Das Konzept dafür wurde erstmals im Oktober 2016 gelegt. Die Idee bestand darin, Führung auf möglichst authentische Weise zu betrachten und diese Vision der Öffentlichkeit ohne politische Agenda zu präsentieren.



Als Daniel Eisenhut an Führungskräfte dachte, dachte er an Frauen. Für ihn bestand ohne Zögern oder Nachdenken ein klarer Zusammenhang zwischen den beiden. In diesem Zusammenhang sah er die Idee für ein Kunstprojekt. Er würde eine Installation schaffen, die an die Wände der Vergangenheit erinnert, die traditionell mit Porträts prominenter Männer bedeckt waren. Ernsthafte Porträts, deren Fokus eher auf Prestige und Autorität als auf ästhetischer Schönheit lag. In Eisenhuts Konzept war die Wand voller Porträts von Frauen, die ganz selbstverständlich unterschiedliche Führungspositionen übernahmen.


Wie jedes Projekt nimmt es mit der Zeit seine eigenen Leben an, sobald es über den mentalen Raum des Künstlers hinausgeht. Sobald die Prüfung durch andere zugänglich ist, strömen Fragen und Kritik ein. Eine dieser Fragen, mit denen Daniel Eisenhut regelmäßig konfrontiert wurde, war: „Warum Frauen?“ Die Einbeziehung von Frauen in Führungspositionen ist in unserer Gesellschaft nicht immer Selbstverständlich. Das Ziel des Projekts bestand jedoch nicht darin, zu beweisen, dass Frauen Führungspersönlichkeiten sein können, sondern darin, dass sie es bereits sind.
Als Daniel Eisenhut aufwuchs, sah er viele starke weibliche Führungskräfte. Während seiner Dienstzeit in der israelischen Armee waren es überwiegend Frauen die er als Führungskraft erlebt hart. Eisenhut erlebte aus erster Hand die Stärke und Entschlossenheit dieser Frauen und festigte in seinem Gedächtnis die Symbiose von Weiblichkeit und Führung.
„Warum ‚Lippenstift‘“, war die Frage, die am häufigsten gestellt wurde, wenn man den Titel des Projekts hörte. Der „Lippenstift“ wurde zu dem Titel dieses Projekts eher ironisch hinzugefügt. Die Idee bestand darin, die Vorstellung von Frauen als nur schön zu untergraben. Obwohl Kosmetik oft mit äusserer Schönheit in Verbindung gebracht wird, kann sie auch dazu dienen, Aufmerksamkeit zu erregen. Der Mund wird in diesen ansonsten farblosen Porträts hervorgehoben und der Betrachter wird so aufgefordert, zuzuhören, was sie zu sagen hat.



Während der Porträtsitzungen führte Daniel Eisenhut mit jeder Frau ein Interview durch. Er stellte ihnen Fragen zu ihrer Herangehensweise an Führung, ihren Vorstellungen davon, was Führung bedeutet, und gab jeder Führungskraft Raum, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Einige Frauen konzentrierten sich auf ihre Erziehung und ihre Anfänge, während andere sich auf ihre aktuelle Karriere konzentrierten und darauf, wie die Welt sie in diesen Rollen sah. Jede Frau hatte die Möglichkeit zu Wort zu kommen und sich Gehör zu verschaffen. Währenddessen zeichnete Eisenhut sie so, wie sie sich präsentierten, und das Ergebnis waren ernste, Head-Shot-ähnliche Porträts, die grösstenteils ohne Lächeln auftraten. Ein Streifen Lippenstift über ihren Lippen erinnert den Betrachter gleichzeitig daran, dass diese Frauen etwas zu sagen haben und dass im «Ernst» auch Schönheit liegt.



Für die Porträts wählte Daniel Eisenhut die seiner Meinung nach am weitesten verbreitete und ursprünglichste Substanz der Menschheit: Holzkohle. Er verwendete Kohle auf Kohlenstoffbasis, um Porträts zu schaffen, die uns alle in unserer Menschlichkeit verbinden sollten. Schliesslich bestehen wir alle aus Kohlenstoff. Dieses Medium zieht in Kombination mit der Präsentation der Werke in der «Kraftwerk» eine klare Grenze zwischen primitiven Höhlenmalereien aus unserer Vergangenheit und den Porträts prominenter Persönlichkeiten unserer Gegenwart. Die Gesellschaft spielt eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung dieser geschäftsmässigen Porträts, bei der Beobachtung, wie Frauen in Führungspositionen wahrgenommen werden und wie sie sich präsentieren. Daniel Eisenhut verwendet Holzkohle, um uns daran zu erinnern, dass wir in erster Linie Menschen sind und dass unsere Gesellschaft das ist, was uns zusammenbringt, so wie es Höhlenmalereien und Lagerfeuer seit Beginn der Sozialisierung getan haben.



Daniel Eisenhut erschuf „Lipstick Leaders“ als Versuch, den Stamm wieder zusammenzubringen. So oft konzentrieren wir uns nur auf unsere Unterschiede. Der „Lippenstift“, der manche weniger ernst macht als andere. Die hohe Position, die einen über und von den anderen abhebt. Der Wunsch, gesehen, gehört und verstanden zu werden, ist etwas, das wir alle verspüren. „Lipstick Leaders“ greift diese oft gegensätzlichen Vorstellungen von Eitelkeit und harter Arbeit, von Frau und Geschäft, von Höhlenmalerei und Hochglanz Head-Shot auf und bringt sie zusammen, um einen Standpunkt zu verdeutlichen. In jedem einzelnen von uns kann eine Vielzahl enthalten sein. Ein Porträt kann sowohl schwarz-weiss als auch farbig sein. Eine Frau kann Karriere machen und Mutter sein. Holzkohle kann sowohl primitiv als auch revolutionär sein. Lippenstift kann sowohl schön als auch ernst, subtil und eindringlich, oberflächlich und tiefgreifend sein.



Indem Daniel Eisenhuts „Lipstick Leaders“ uns daran erinnert, dass vieles gleichzeitig wahr sein kann, dass „und“ oft authentischer ist als „aber“, geht es um so viel mehr, als man auf den ersten Blick annehmen könnte. Es geht um Frauen. Es geht um Führung. Es geht um Gesellschaft, Geschichte und Menschlichkeit. Es stellt einen bestimmten Teil der Gesellschaft zur Schau, zeigt einen Teil in einem neuen Licht und erinnert uns daran, dass wir ein Ganzes sind. Jedes Porträt gehört so offensichtlich zur selben Serie, ist in seinem Abbild dem nächsten einheitlich und jede Frau ist gleichzeitig ihre eigene Person. Jede Geschichte ist anders und es gibt einen roten Faden, der sich von einer zur nächsten und durch uns alle als Menschen zieht.




Nach der ersten Ausstellung in der «Kraftwerk» in Zürich hat Daniel Eisenhut weiterhin Frauen in Führungspositionen porträtiert und interviewt. Im Laufe der Jahre sind über 150 Porträts entstanden, die in verschiedenen Formaten in mehreren Städten in der ganzen Schweiz ausgestellt wurden. Jede Ausstellung ermöglicht eine neue Sicht auf das Projekt und die Porträts. Kunst, Individualität und Gemeinschaft kreuzen sich bei jeder Veranstaltung und in jedem Raum werden Menschen zusammengebracht.



Als Daniel Eisenhut sich zum ersten Mal daran machte, das Projekt „Lipstick Leaders“ zu starten, erhielt er von seiner Männergruppe uneingeschränkte Unterstützung. Der Glaube dieser Männer an sein Projekt bestätigte Daniel Eisenhuts Idee, dass „Lipstick Leaders“ ein Ort der Konvergenz für die Gesellschaft sein könnte. Die weiblichen Führungspersönlichkeiten waren Teil einer grossen Gemeinschaft und konnten authentisch als solche dargestellt werden. Sie galten nicht als Oppositionelle oder Aussenseiter, sondern waren als Teil der Führungspersönlichkeiten unserer Gesellschaft willkommen.
